Philosophie kann als nur mündliches oder als schriftliches Fach gewählt werden.

Wer sich für Philosophie als Abiturfach entscheidet, muss spätestens ab Jahrgangsstufe 12 Klausuren schreiben. Bei ‚Philosophie-Anfängern’ in der 11 herrscht oft Unsicherheit, wie Klausuren in diesem neuen Fach eigentlich aussehen. Wir stellen hier Beispiele aus der Praxis vor.

Beispiel: Einführungsjahrgang (EF.1)

Thema: Was ist Philosophie?

Gernot Böhme (*1937) war bis 2002 Professor für Philosophie an der Technischen Universität Darmstadt. Unter anderem interessiert ihn, was Philosophie bzw. Philosophieren für unsere moderne Welt bedeutet und  bedeuten sollte.

Philosophie als Lebensform ist ein Weg zur Weisheit, auf dem Wissen eine persönlichkeitsverändernde Wirkung zukommt und auf dem  ein psychischer Zustand erreicht wird, in dem man aus dem  Wissen heraus handeln kann. Die Beziehung zum  Wissen also wird auf diesem Wege nie eine äußere Beziehung des Lernens sein, sie muss vielmehr ein Prozess der Selbstbildung sein. [...] Ich möchte dieses klassische philosophische Ideal in seinen Hauptzügen kurz charakterisieren.

Der erste Grundzug des klassischen Ideals einer philosophischen  Existenz liegt in Reflexion oder Bewusstheit. Der Philosoph erzeugt durch Denken einen Abstand von sich selbst und der Welt. Das bedeutet vor allem eine  Loslösung aus den Befangenheiten des Alltags, der Affekte, der gesellschaftlichen Verstrickungen. Dadurch wird eine Überwindung  der Subjektivität möglich. Der Blick auf die Dinge und auf die eigene Person ist ein objektiver, der alles in einen größeren Zusammenhang einordnet und dem einzelnen Ereignis sein durch Gegenwart oder persönliche Nähe gegebenes Gewicht nimmt.

Der zweite Grundzug, durch den das philosophische Leben gekennzeichnet ist, ist die Errichtung einer inneren herrschenden Instanz. Selbstbeherrschung ist die wichtigste Forderung  philosophischer Existenz, Die innere Instanz, die sich zum Ursprung des Handelns macht, wird verschieden benannt als Seele, Wille, Vernunft, Ich oder Gewissen. Entscheidend ist, dass durch die Herausbildung dieser Instanz der Mensch aus der Mannigfaltigkeit der Anmutungen und Zumutungen, die ihn zu einem Getriebenen zu machen  drohen, sich löst und so zum Ursprung der eigenen Handlungen wird. Das bedeutet insbesondere die Beherrschung des eigenen Körpers: Der Leib wird zum Instrument abgerichtet und gebraucht.

Der dritte Grundzug des klassischen Philosophenideals besteht darin, dass er sich aus dem  normalen menschlichen Leben heraushält. Dem Philosophen geht es weder um Ehre  noch Würde   noch  Reichtum  noch Macht, sein Ziel liegt allein im Gutsein oder der Weisheit. Das bringt mit sich eine gewisse erachtung der „Leute", des Alltagslebens und der Leiblichkeit. Extrem formuliert wird das philosophische Leben auch als ein Sein zum  Tode, d. h. als eine tendenzielle Ablösung von allem Irdischen beschrieben. Das braucht durchaus nicht in einem vollständigen Verzicht auf Lust zu bestehen. Im Gegenteil kann der Philosoph gerade durch die Genügsamkeit ein höheres Maß an Befriedigung erreichen, weil er kein „Mehr" erwartet.

Philosophie als Lebensform ist vor allem „Selbstsorge", ein Streben nach der eigenen Vollkommenheit und nach einem erfüllten Dasein. Das impliziert (1) im Allgemeinen ein Desinteresse [...] an Gesellschaft, Politik, Ökonomie. Gleichwohl wird unterstellt, dass der Philosoph gerade wegen seiner Distanz gegenüber der konkreten Wirklichkeit menschlichen Daseins anderen ein guter Ratgeber sein könnte - insofern ist auch in diesem Ideal philosophischer Existenz dieses Moment alltäglichen Weisheitsverständnisses enthalten. Bei Platon ist dieser Gedanke sogar dahingehend gesteigert worden, dass die Philosophen eigentlich die Staatslenker sein sollten. Freilich meint auch er, dass man sie zu dieser Aufgabe zwingen müsse, weil sie viel lieber in der geistigen Schau verharren würden und darin ihr Glück finden.

1)  implizieren: einschließen

Aufgaben:

  1. Versuchen Sie das Spezielle vom Böhmes Auffassung von Philosophie mit eigenen Worten auszudrücken.
  2. Vergleichen Sie Böhmes Position mit einer Ihnen aus dem Unterricht bekannten Antwort zu der Frage „Was ist Philosophie?“.
  3. Argumentieren Sie, ob Böhmes Auffassung von Philosophieerstrebenswert sein kann.

Beispiel: Qualifikationsphase (Q1.1)

Thema: Ethik

2. Klausur

aus: Immanuel Kant (1724- 1804),  Grundlegung zur Methaphysik der Sitten (1785)

Noch denkt einer, dem es wohlgeht, indessen er sieht, dass andere mit großen Mühseligkeiten zu kämpfen haben (denen er auch wohl helfen könnte): Was geht´s mich an? Mag doch ein jeder so glücklich sein, als es der Himmel will oder er sich selbst machen kann, ich werde ihm nichts entziehen, ja nicht einmal beneiden; nur zu seinem Wohlbefinden oder seinem Beistande in der Not habe ich nicht Lust etwas beizutragen! Nun könnte allerdings, wenn eine solche Denkungsart ein allgemeines Naturgesetz würde, das menschliche Geschlecht gar wohl bestehen und ohne Zweifel noch besser, als wenn jedermann von Teilnehmung und Wohlwollen schwatzt, auch sich beeifert, gelegentlich dergleichen auszuüben, dagegen aber auch, wo er nur kann, betrügt, das Recht der Menschen verkauft oder ihm sonst Abbruch tut. Aber obgleich es möglich ist, dass nach jener Maxime ein allgemeines Naturgesetz wohl bestehen könnte, so ist es doch unmöglich, zu wollen, dass ein solches Prinzip als Naturgesetz allenthalben gelte. Denn ein Wille, der dieses beschlösse, würde sich selbst widerstreiten, indem der Fälle sich doch manche ereignen können, wo er anderer Liebe und Teilnehmung bedarf, und wo er durch ein solches aus seinem eigenen Willen entsprungenes Naturgesetz sich selbst alle Hoffnung des Beistandes, den er sich wünscht, rauben würde.

Diese ist eine von den vielen wirklichen oder wenigstens von uns dafür gehaltenen Pflichten, deren Ableitung aus dem einigen angeführten Prinzip klar in die Augen fällt. Man muss wollen können, dass eine Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werde: dies ist der Kanon der moralischen Beurteilung derselben überhaupt. Einige Handlungen sind so beschaffen, dass ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal als allgemeines Naturgesetz gedacht werden kann; weit gefehlt, dass man noch wollen könne, es sollte ein solches werden. Bei anderen ist zwar jene innere Unmöglichkeit nicht anzutreffen, aber es ist doch unmöglich zu wollen, dass ihre Maxime zur Allgemeinheit eines Naturgesetzes erhoben werde, weil ein solcher Wille sich selbst widersprechen würde.

 
Aufgaben:

  1. Geben Sie Kants Argumentation in möglichst eigenen Worten wieder, zitieren und erläutern Sie, falls es nötig ist.  (ca. 30%)
  2. Formulieren Sie die der folgenden Handlung zu Grunde liegende Maxime, überprüfen Sie diese mit der im vorliegenden Text erläuterten Naturgesetzformel und nennen sie Beispiele:

    „Jemand findet in sich ein Talent, welches vermittelst einiger Kultur ihn zu einem in allerlei Absicht brauchbaren Menschen machen könnte. Er sieht sich aber in bequemen Umständen und zieht vor, lieber dem Vergnügen nachzuhängen, als sich mit Erweiterung und Verbesserung seiner glücklichen Naturanalagen zu bemühen.“ (ca.30%)
  3. Nehmen Sie kurz begründet Stellung, ob Sie Kants Moralphilosophie für gerechtfertigt halten. (ca.20%)

Beachten Sie: Die sprachliche Darstellungsleistung zählt 20% der Gesamtleistung.

Beispiel:  Qualifikationsphase (Q2.1)

Thema: Erkenntnistheoretische Positionen im Vergleich

2. Klausur

aus: Immanuel Kant:  Kritik der reinen Vernunft

Unsre Erkenntnis entspringt aus zwei Grundquellen des Gemüts, deren die erste ist, die Vorstellungen zu empfangen (die Rezeptivität der Eindrücke), die zweite das Vermögen, durch diese Vorstellungen einen Gegenstand zu erkennen (Spontaneität der Begriffe) (1); durch die erstere wird uns ein Gegenstand gegeben, durch die zweite wird dieser im Verhältnis auf jene Vorstellung (als bloße Bestimmung des Gemüts) gedacht. Anschauung und Begriffe machen also die Elemente aller unsrer Erkenntnis aus, so dass weder Begriffe, ohne ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe, ein Erkenntnis abgeben können. Beide sind entweder rein, oder empirisch. Empirisch, wenn Empfindung (die die wirkliche Gegenwart des Gegenstandes voraussetzt) darin enthalten ist; rein aber, wenn der Vorstellung keine Empfindung beigemischt ist. Man kann die letztere die Materie der sinnlichen Erkenntnis nennen. Daher enthält reine Anschauung lediglich die Form, unter welcher etwas angeschaut wird, und reiner Begriff allein die Form des Denkens eines Gegenstandes überhaupt. Nur allein reine Anschauungen oder Begriffe sind a priori möglich, empirische nur a posteriori.

Wollen wir die Rezeptivität unseres Gemüts, Vorstellungen zu empfangen, sofern es auf irgend eine Weise affiziert wird, Sinnlichkeit nennen: so ist dagegen das Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen, oder die Spontaneität des Erkenntnisses, der Verstand. Unsre Natur bringt es so mit sich, dass die Anschauung niemals anders als sinnlich sein kann, d. i. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen affiziert werden. Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand. Keine dieser Eigenschaften ist der andern vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es eben so notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen), als, seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe zu bringen).

Beide Vermögen, oder Fähigkeiten, können auch ihre Funktionen nicht vertauschen. Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen. Deswegen darf man aber doch nicht ihren Anteil vermischen, sondern man hat große Ursache, jedes von dem andern sorgfältig abzusondern, und zu unterscheiden. Daher unterscheiden wir die Wissenschaft der Regeln der Sinnlichkeit überhaupt, d. i. Ästhetik, von der Wissenschaft der Verstandesregeln überhaupt, d.i. der Logik.

1)  Mit Spontaneität meint Kant nicht die Fertigkeit eines Menschen, spontan handeln zu können. Vielmehr ist damit die Fähigkeit des Erkenntnisvermögens beschrieben, das Angeschaute aktiv mittels des Denkens begrifflich zu bestimmen.

Aufgaben:

  1. Geben Sie die Kernaussagen des vorliegenden Textausschnittes wieder und verdeutlichen Sie diese an Beispielen.
  2. David Hume hat Kants Denken stark beeinflusst, bevor dieser seine „Kritik der reinen Vernunft“ schrieb. Stellen Sie Bezüge von Kants Argumentation zu den Ausführungen Humes her und stellen Sie Letztere ausführlich dar.
  3. Positionieren Sie sich begründet zu David Humes Erkenntnistheorie.

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