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Christian Schleck

81 Jahre später: Stolpersteine wider das Vergessen

In Gedenken an Martha, Frieda und Lina Gottschalk aus Sterkrade

Junge Menschen wachsen heutzutage in einer Zeit auf, in der sich die Krisen nicht mehr abwechseln, sondern überlagern, so dass vom Leben in der Polykrise gesprochen wird. Corona, Krieg in der Ukraine und Inflation sind sicherlich nicht mit den Lebensumständen im Nationalsozialismus zu vergleichen und doch glaubt man seinen Schülerinnen und Schülern, dass sie hinreichend mit schlechten Nachrichten versorgt sind, so dass Sorgen über die Zukunft immer häufiger thematisiert werden.

Die Gegenwart, wie belastend sie auch sein mag, sollte jedoch nicht die Entschuldigung dafür sein dürfen, dass man sich um die Vergangenheit nicht kümmern kann. Der Geschichts-LK des Freiherr-vom-Stein Gymnasiums sowie ein GK-Geschichte der EF waren am 7. März eingeladen, dem großen Erinnerungsprojekt von Gunter Demnig beizuwohnen und bei der Verlegung von drei Stolpersteinen dabei zu sein: Wir erinnerten uns an die drei Schwestern Gottschalk, die vor 81 Jahren aus der Bahnhofstraße in Oberhausen-Sterkrade nach Izbica deportiert wurden, wo sich ihre Spur verliert. Sicher ist, dass die drei zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet wurden, möglicherweise in Belzec oder Sobibor, wohin viele der dorthin Deportierten schließlich gebracht wurden.

Auch vor 81 Jahren herrschte in Europa Krieg. Wenige Jahre zuvor war eine Hyperinflation überstanden worden, Arbeitslosigkeit erfüllte viele mit Perspektivlosigkeit und nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurden diese Probleme teils verschleiert. Für etliche Menschen begann jedoch eine Zeit der Repression, Verfolgung, der Willkürherrschaft, der Gewalt und auch der Todesangst.

Die drei Schwestern Gottschalk waren außergewöhnliche Frauen ihrer Zeit, weil sie selbstständige Handwerkerinnen bzw. Einzelhändlerinnen waren, die ein bekanntes sowie gut gehendes Putzmachergeschäft innehatten. In diesem wurden Hüte gefertigt sowie Accessoires für Damenmode hergestellt. Schicksalsschläge führten zum Tod vieler Familienangehöriger schon vor 1933, so dass die drei Schwestern Martha, Frieda und Lina auf eigenen Beinen standen und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen mussten. Sie verloren ihr Geschäft 1938 im Zuge der Arisierung von jüdischen Betrieben. Spätestens mit dem Jahr 1938 verschärfte sich die Verfolgung der Deutschen jüdischen Glaubens, so dass die Emigration oder Flucht immer schwieriger wurde.

Krisen der Zeit können keine Entschuldigung dafür sein, dass Menschen beraubt, bedroht, verfolgt oder gar getötet werden. Krisenerscheinungen gehören zum Leben dazu und mit den Geschichtskursen wird intensiv darüber diskutiert, welche Bedeutung das Erinnern hat, um Krisen zu verstehen, sich Handlungsoptionen zu erschließen oder auch schlimmere Auswüchse zu verhindern, die niemals zu rechtfertigen sind.

Die Stolpersteine erinnern uns an über 75.000 Einzelschicksale – die Gesamtzahl ist schwer zu begreifen. Aber der Gedanke, dass hinter jedem Stein ein Individuum mit seiner Geschichte steht, mahnt zur Wachsamkeit, dass Menschen aufeinander aufpassen, damit sich die sinnlosen Morde und die Gewalt gegen Minderheiten und Menschen überhaupt niemals wiederholen; egal, wie schwierig die Zeiten sind.